Endkampf um Bielefeld

01.04.1945 - 04.04.1945
Nachdem die Heeresgruppe B (GFM Model) im sog. Ruhrkessel eingekreist war, schirmte den Rand des Kessels das 19. US-Korps (GenMajor McCain) und das 13. US-Korps (GenMajor Gillun jr.) ab. Das Vordringen dieser beiden Korps auf Paderborn und Münster hatte die 1. Fallschirmjägerarmee in der Mitte aufgespalten, so dass die rechte Flanke auf die Höhen des Teutoburger Waldes abgedrängt wurde, eine stark bewaldete und leicht zu verteidigende Stellung, die die Reichsautobahn 2 bei Bielefeld mit einschloß.

Zur Entsetzung des Ruhrkessels war ursprünglich die 12. Armee (GenOberst Wenck) vorgesehen, die nach schweren Kämpfen an der Ostfront im Harz aufgefrischt und durch neue Divisionen verstärkt wurde.
Feldmarschall Kesselring sah im Teutoburger Wald die Schlüsselstellung um das Aufmarschgebiet zum Entsetzungsstoß in Richtung Rhein Offenzuhalten.
Mittlerweile hatte die 9. US-Army den Befehl mit seinen 2 Korps beiderseits der Reichsautobahn 2 vorzugehen, in den Teutoburger Wald bei Bielefeld einzudringen und die Weser, den letzten Wasserweg vor der Elbe zwischen Minden im Norden und Hameln im Süden , zu überqueren.


Der Widerstand war im Allgemeinen sehr gering und die Amerikaner konnten Gütersloh und Wiedenbrück, ohne einen Schuss abzugeben, einnehmen. Der Weg Richtung Bielefeld war frei...
Doch dann zeichneten sich die Hügel des Teutoburger Waldes ab und die 5. und 2. US-Panzerdivision, die links und rechts der Autobahn die Spitze bildeten, wussten, dass von nun an der Widerstand der deutschen Truppen stärker werden würde. Gerade die große Industriestadt Bielefeld versperrte den weiteren Weg auf der Autobahn.

In diesem Gebiet, dass etwa 50 km zwischen Hilter im Westen und Horn im Südosten von Bielefeld erstreckte, standen die deutschen Truppen unter dem Befehl des Generalmajor Bechers. Sein Frontabschnitt war in 3 Kommandos unterteilt: Die Westflanke unter Oberst Hulle, die Südflanke unter Generalmajor Goerbig und den Mittelabschnitt mit Bielefeld unter Oberst Sommer. Die Mittel zur Verteidigung aller Abschnitte waren jedoch unzureichend. Da kaum Nachrichtenmittel zur Verfügung standen konnte er seine ca. 7.000 Mann nur mit dem öffentlichen Telefonnetz führen. Die Einheiten waren bunt gemischte Haufen von Ausbildungseinheiten, Beschränkttauglichen, Volkssturm und als schlagkräftigste Truppe die SS-Panzerbrigade „Westfalen“, die aus den Lehrtruppen der SS-Truppenschulen in Paderborn-Sennelager und Augustdorf gebildet wurde.

Die meisten Heereseinheiten, außer Soldaten eines Offizierslehrgangs, die im Norden Bielefelds eingesetzt waren, waren schlecht ausgerüstet. Die Bewaffnung war völlg unzureichend und für die vielen eingesetzten ausländischen Waffen gab es nur geringe Munitionsvorräte.
Eine durchgängige Verteidigungslinie existierte ebenfalls nicht. Die Truppen wurden hauptsächlich an strategischen Punkten im bewaldeten Hügelland eingesetzt um die Übergänge Richtung Weser zu verteidigen. Allerdings fehlte es den Truppen an Artillerie und weiteren schweren Waffen. Die Panzerfaust wurde zum Allheilmittel hochstilisiert...

Die US-Truppen näherten sich dem Teutoburger Wald mit äußerster Vorsicht. Links von der Autobahn , zwischen Halle und Brackwede entfaltenden sich die 102. und 84. US-Infanteriedivision mit Unterstützung der 5. US-Panzerdivision. Rechts der Autobahn, zwischen Brackwede und Augustdorf gingen die 30. und 83. US-Infanteriedivision mit Unterstützung der 2. US-Panzerdivision vor.
Gleichzeitig versuchte General Becher verzweifelt weitere Bielefelder Volkssturmeinheiten von der Bielefelder Ortsparteileitung unterstellt zu bekommen. Die Bielefelder NS-Parteispitze bereitete sich bereits auf die Einnahme der Stadt durch die Alliierte vor, in dem sie in ihrem Befehlsbunker eine Alkoholorgie feierte und dem General brüsk jede Unterstützung versagte! Zwei Tage später, als ein Kommandeur eines Volkssturmbataillons um weitere Hilfe im Kommandobunker vorstellig wurde, bekam dieser zur Antwort „er hätte doch 2 Gewehre mit je 5 Schuß Munition“ – „Das sind zehn tote Amerikaner! Kämpfen Sie bis zum letzten Mann!“ Danach trat die Bielefelder NS-Spitze nicht mehr in Erscheinung.

In der Nacht vom 2. auf den 3. April begann der US Angriff auf die Truppen des Generals Becher. Nach einem vorbereitenden Angriffs der gefürchteten Jagdbomber startete der Angriff der 9. US-Army. Besonders schnell brach die Verteidigung nördlich der Autobahn zusammen. Die Amerikaner erreichten den ersten Übergang durch den Teutoburger Wald, südlich von Borgholzhausen, bereits am Nachmittag des 3. Aprils. Der Übergang wurde durch eine Infanteriekompanie der Waffen-SS und 2 Heeresinfanteriekompanien unter Befehl eines SS-Sturmbannführers verteidigt. Unterstützt wurde die Kampfgruppe durch einen Zug Panzerjäger mit 4 Paks. Der Panzerangriff der Amerikaner kam in den engen Gassen und gewundenen Strassen schnell ins stocken und der Kampf um die Stadt dauerte 3 Stunden, bis sich die Reste der deutschen Truppen, nach dem Verlust von ca. 20 Mann, auf die kleine Stadt Melle zurückzogen.
Im Süden der Autobahn versteifte sich der Widerstand und auf dem Vormarschweg des 19. US-Korps zwischen Bielefeld und Detmold mussten sich die Amerikaner gegen junge Rekruten der Waffen –SS und Wehrmacht erwehren, die gerade erst seit einem Monat in der Ausbildung standen. Den Mangel an schweren Waffen machten die Verteidiger durch geschickte Ausnutzung des Geländes wett.

Die Stadt Augustdorf wurde bis zum letzten Mann verteidigt und in der Dörenschlucht vernichteten die Flakkampftrupps der Waffen-SS 7 Sherman-Panzer, ehe die Verteidiger unter hohen Verlusten von 35 Mann die Schlucht, und damit den Weg Richtung Detmold freigaben.
Nördlich von Augustdorf gelang es einer anderen Kampfgruppe den Übergang bei Oerlinghausen zu halten und die angreifenden US-Truppen im Südteil der Stadt zu stoppen. Am Abend des 2. April unternahmen die deutschen Truppen einen Gegenangriff, der jedoch dam Widerstand des Feindes schnell zusammenbrach. Zu gering waren die Mittel um einen durchlagenden Angriff zu unternehmen.
In Lämershagen stießen die vorrückenden Amerikaner auf ein Infanterieausbildungsbataillon und Teile eines Offizierslehrgangs. Nach schweren Kämpfen zogen sich die deutschen Truppen auf Hillegossen zurück. Am Morgen des 3. Aprils brach jedoch auch hier der Widerstand zusammen und die Reste der deutschen Verteidiger zog sich Richtung Weser zurück. Die Kämpfe in und um Oerlinghausen nahmen dagegen an Intensität zu und gegen Abend des 3. Aprils beliefen sich die Verluste der deutschen Verteidiger, Teile des Panzergrenadierausbildungsbataillon 64, auf ca. 70 Tote und die Verluste der US-Verbände auf 20 Tote. Nach dem ein verbliebener Königstiger der schweren SS-PzAbt. 101 im Bereich Oerlinghausen abgeschossen wurde, brach der Widerstand in diesem Bereich zusammen und alle deutschen Truppenteile zogen sich auf die Weserlinie zurück. General Becher verließ Bielefeld am Abend des 3. Aprils und bezog seinen neuen Gefechtsstand hinter der Weser.
Am Abend des 3. Aprils gab es nördlich der Autobahn keinen nennenswerten Widerstand durch deutsche Truppen mehr. Amerikanische Panzerspitzen erreichten Jöllenbeck, über Halle und Werther kommend bereits am zweiten Ostertag (02. April) gegen 14.30 Uhr. Die Panzersperren hier wurden durch Volkssturmeinheiten nur zaghaft verteidigt. 2 Mann kamen bei einem kurzen Feuergefecht ums Leben. Ein Luftwaffennachrichtenbataillon zog sich, ohne Widerstand zu leisten zurück.
Bielefeld selber war noch nicht eingenommen worden – allerdings wohl nur nicht, da die Amerikaner noch keinen ernsthaften Versuch unternommen hatte in die Stadt vorzudringen. Die US-Truppen nutzten die nun freie Autobahn für den raschen Vormarsch zur Weser. Rechts der Autobahn hielten die deutschen Verteidiger noch einige Übergänge des Teutoburger Waldes, obwohl durch die Einnahme Oerlinghausens die Aufgabe bereits strategisch nicht mehr sinnvoll war. Bei Detmold wurde die Amerikaner erneut aufgehalten und die 9. US-Army forderte strategische Luftunterstützung an. Selbst nach dem Beschuss durch die massive US-Artillerie und durch die Bombardierung mit Brandbomben war der Widerstand in Detmold noch nicht gebrochen. Die Stadt wurde durch Grenadiere der Waffen-SS zäh verteidigt. Detmold kapitulierte, ebenso wie Lemgo, am 04.April.
Am 04. April befahl der Bürgermeister der Stadt Brackwede die Panzersperren zu räumen und auf die Amerikaner zu warten. Eine verfrühte Maßnahme, die dem Bürgermeister das Leben kostete, da er durch Befehl des NSDAP-Ortsgruppenleiter erst unter Arrest gestellt und dann erschossen wurde. Trotzdem gelang es den Amerikaner Brackwede ohne größere Gefechte zu nehmen. Am 04. April um 13.00 Uhr drangen die ersten amerikanischen Panzer in Bielefeld ein. Die Kämpfe um die Zugänge zur Stadt dauerten den ganzen Nachmittag, bis die US-Panzerspitze gegen Abend den Kommandobunker „Sedan“ in der Stadtmitte erreichte.
Am Abend des 04. Aprils hatten 6 US-Divisionen den Teutoburger Wald hinter sich gebracht und waren nun auf dem Weg zur letzten Barriere vor dem Endziel Elbe.

Während die amerikanischen Panzerspitzen unaufhaltsam über Herford nach Norden vordrangen, schlug für Bielefeld das, was man fälschlicherweise oft als „Stunde Null“ bezeichnet, obwohl die Stadt niemals ganz tot und am Ende war: Es war ein zaghaftes, unsicheres Wiederbeginnen, ein taumelndes Erwachen aus politischer Ohnmacht und schließlich der Kampf ums nackte Überleben!